Corona-Krise: Weitere Maßnahmen zum Schutz von Unternehmen erforderlich

veröffentlicht am: 20. April 2020

BStBK, Pressemitteilung vom 16.04.2020

Die Corona-Krise ist ein Stresstest für die deutsche Wirtschaft und stellt somit auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer vor große Herausforderungen. Die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) und die Wirtschaftsprüferkammer (WPK) fordern in ihrem gemeinsamen 9-Punkte-Plan an das Bundesfinanzministerium zusätzliche steuerliche und verfahrensrechtliche Maßnahmen, die Unternehmen, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer unterstützen.

Das Bundesfinanzministerium brachte zwar bereits erste steuerliche Maßnahmen auf den Weg, BStBK und WPK sehen aber noch akuten Handlungsbedarf und fordern weitere Schritte:

1. Abgabefristen für die Umsatzsteuervoranmeldungen verschieben
Die Frist für die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung sollte generell um 1 Monat verschoben werden, auch um das damit befasste Personal flexibler einsetzen zu können. DieInanspruchnahme der Fristverlängerung sollte für die Unternehmen als Wahlrecht ausgestaltet werden, welches mit der verzögerten Abgabe ausgeübt wird. So ist gewährleistet, dass zu erstattende Vorsteuerüberhänge zeitnah ausgekehrt werden. Ziel sollte es sein, dass Steuerberater und ihre Mandanten keine separaten Anträge auf Fristverlängerung stellen müssen. Dies entlastet Steuerpflichtige, ihre Berater und Finanzverwaltung gleichermaßen.

2. Stundung auch für die Lohnsteuer ermöglichen
Mit dem BMF-Schreiben sowie den Gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19. März 2020 wurden wesentliche Erleichterungen geschaffen. Denn hiernach dürfen Unternehmen, die nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich von den Auswirkungen der Corona-Krise betroffen sind, bis zum 31. Dezember 2020 u. a. die festgesetzte Umsatz-, Einkommen und Körperschaftsteuer auf Antrag stunden lassen. Leider ist die Lohnsteuer nicht von der Stundungsregelung umfasst. Um die Liquidität der Unternehmen nicht zu gefährden, sollte auch eine Stundungsregelung für die Lohnsteuer geschaffen werden.

3. Wahlrecht auf Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Versteuerung)
Für alle Unternehmen sollte eine unkomplizierte und unbürokratische Möglichkeit geschaffen werden, ab dem 2. Quartal 2020 die Ist-Besteuerung gem. § 20 UStG ohne Beschränkung der
Umsatzhöhe anzuwenden. Die Besteuerung nach vereinbarten Entgelten gem. § 16 Abs. 1 UStG (Sollversteuerung) zwingt Unternehmer zur Abführung von Umsatzsteuer, selbst wenn diese mangels Zahlung des Leistungsempfängers noch nicht vereinnahmt wurde. Es muss verhindert werden, dass das Prinzip der Soll-Versteuerung wirtschaftlich zu einem Krisentreiber wird. Das Wahlrecht erlangt vor allem dann Bedeutung, wenn die zeitlich
befristete Stundung der Umsatzsteuervoranmeldung ausläuft.

4. Zeitlich befristete Aussetzung aller steuerlichen Nebenleistungen und Aussetzung von Meldepflichten
Um Unternehmen in der Krise zu entlasten, sollten alle steuerlichen Nebenleistungen im Sinne von § 3 Abs. 4 Nr. 1-6 AO bis zum 30. September 2020 ausgesetzt werden. Zudem sollten die Meldepflichten für Auslandssachverhalte (§ 138 Abs. 2 AO) und die Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen (§ 138d AO) ausgesetzt werden.

5. Unbürokratische Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) sollte im Zusammenhang mit der Corona-Krise ohne weitere Voraussetzung gewährt werden. Die Finanzverwaltung könnte beispielsweise den unbestimmten Rechtsbegriff „ohne Verschulden“ auf die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen der Corona-Krise anwenden und unbürokratisch Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewähren.

6. Ermöglichung eines Verlustrücktrags
Um Unternehmen schnell die benötigte Liquidität zu verschaffen und deren Eigenkapitalbasis zu stärken, sollten sie die Möglichkeit erhalten, die aktuell entstehenden Verluste unmittelbar
mit den Ergebnissen aus 2018 und 2019 zu verrechnen. Dazu müssten die Beschränkungen des § 10d EStG (Rücktrag von maximal 1.000.000 € in das Vorjahr) ausgesetzt werden. Wir
regen eine unterjährige Verlustrücktragsmöglichkeit für einen Zeitraum von 2 Jahren und in Höhe von mindestens 4.000.000 € an. Die schnellste und effektivste Wirkung ließe sich erreichen, wenn die zuletzt gezahlte Einkommen- bzw. oder Körperschaftsteuer auf formlosen Antrag hin umgehend erstattet würde.

7. Schaffung eines „Corona – Abzugsbetrages“
Es wäre wünschenswert, dass Unternehmen, die im Jahr 2019 noch erfolgreich waren, steuerlich entlastet werden, um die hierdurch gewonnenen Mittel zur Bewältigung der Krise einsetzen zu können. Der Gesetzgeber sollte daher die Möglichkeit schaffen, einen
gewinnwirksamen Passivposten bilden zu können (bspw. in Höhe von 300.000 €), der das Steuerergebnis im Jahr 2019 mindert. Diese Rücklage erhöht erst bei ihrer Auflösung im Jahr 2020 und 2021 das steuerliche Ergebnis. Ein solche Regelung könnte in Analogie zu § 6b
EStG oder § 7g EStG geschaffen werden. Damit wäre es möglich, die Steuerzahllast des Jahres 2019 zu reduzieren bzw. eine Erstattung der Einkommen- und Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen zu erhalten. Unter Bezug auf § 6c EStG soll eine Anwendung auch bei sog. § 4 (3) EStG-Rechnern gegeben sein. Wir halten es für notwendig, die Regelung auch auf betroffene Vermieter auszudehnen. Verfahrensrechtlich soll auf bestehende Grundsätze
zurückgegriffen werden, ohne neue Verkomplizierungen zu schaffen.

8. Nachteilige Auswirkungen der Corona-Krise auf Steuererleichterungen verhindern
Gesetzlich vorgesehene steuerliche Erleichterungen knüpfen in der Regel an restriktive Voraussetzungen unter stabilen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen an. In Folge der Corona-Krise sind diese Voraussetzungen oft nicht mehr zu erfüllen, da betriebswirtschaftlich
notwendige Maßnahmen ergriffen werden müssen. Steuerliche Nachteile sollten daraus nicht resultieren. Bei diesen Voraussetzungen handelt es sich insbesondere um Fristen, die bspw. das Aufschieben einer geplanten (Re-)Investition oder den Verkauf von einzelnen Wirtschaftsgütern des (Teil-)Betriebs bzw. dessen Einstellung mit steuerlichen Nachteilen verbinden. Dabei dürfte es in der aktuellen Situation vielfach erforderlich sein, einzelne
Wirtschaftsgüter zu verkaufen oder Investitionen zu unterlassen und die dadurch geschaffene
Liquidität vorzuhalten. Es sollte nicht zu einer „Strafsteuer“ kommen, wenn geplante Investitionen infolge der Corona-Krise verschoben werden müssen und dadurch z. B. die Fristen nach § 6b oder § 7g EStG nicht gehalten werden können. Andere Regelungen machen Besteuerungskonsequenzen davon abhängig, dass ein gewisses
Maß an privilegiertem Vermögen vorhanden ist (z. B. § 2 Abs. 6 InVStG, § 13a ErbStG) bzw. ein bestimmtes Maß an Liquidität nicht überschritten wird (z. B. § 13a ErbStG). Derartige Regelungen sollten bis auf weiteres ausgesetzt werden.

9. Generelle Fristverlängerung zur Abgabe der Jahressteuererklärungen
Um die Unternehmen während der Corona-Krise zu entlasten und den erhöhten Arbeitsaufwand bei den Steuerberatern abzufedern ist eine bundesweit einheitliche generelle Verlängerung der Fristen für alle noch offenen Fälle des Kalenderjahres 2018 bis zum 31. Juli 2020 erforderlich. Dies wäre ein gutes Signal an die Wirtschaft und würde den Druck bei allen Beteiligten erheblich mindern. Diese Maßnahme würde auch die Finanzverwaltung entlasten, die jetzt viele zusätzliche Aufgaben zu stemmen hat. Für alle Fälle des
Kalenderjahres 2019 sollte die Abgabefrist bundesweit bis zum 31. Juli 2021 verlängert werden. Soweit erforderlich, sollten entsprechende Verlängerungen auch für die abweichenden Fristen für Land- und Forstwirtschaftliche Betriebe vorgesehen werden.

Formulierungsvorschlag zu § 6d EStG-E:

(1) Steuerpflichtige, die wirtschaftlich durch die Corona-Pandemie im Sinne von Absatz 2 dieser Vorschrift betroffen sind, können im vor dem 1.1.2020 endenden Geschäftsjahr gewinnmindernd eine steuerfreie Rücklage in maximaler Höhe von 300.000 Euro bilden.
Die Rücklage ist in den folgenden Geschäftsjahren zu je mindestens einem Drittel gewinnerhöhend aufzulösen. Die Vorschrift ist entsprechend anzuwenden, wenn der Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG oder die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen ermittelt werden. § 6c Abs. 1 Satz 2 EStG ist entsprechend anzuwenden.
(2) Als wirtschaftlich betroffen im Sinne von Absatz 1 gelten Steuerpflichtige,
1. deren Betrieb oder Teilbetrieb auf Grund behördlicher Anordnung im Zusammenhang
mit der Corona-Pandemie im Kalenderjahr 2020 zeitweise geschlossen war,
2. für mindestens einen der Monate März bis Juni 2020 Kurzarbeit im Sinne des SGB III
beantragt und genehmigt bekommen haben,
3. die eine Hilfe nach [Gesetzesbezeichnungen aller zur Corona-Hilfe für Unternehmen
beschlossenen Gesetze] erhalten haben,
4. die im Zeitraum vom 1. März 2020 bis 31. Mai an mindestens 20 Tagen keine
Einnahmen aus ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit hatten
(3) Die Inanspruchnahme der Rücklage gilt als rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO.
(4) Wurde die Rücklage nach dieser Vorschrift in Anspruch genommen, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen, ist die Rücklage im Wirtschaftsjahr der Bildung aufzulösen. Sind die Bescheide für das Wirtschaftsjahr der Bildung bestandskräftig, ist die
Rücklage im ersten noch nicht bestandskräftigen Wirtschaftsjahr aufzulösen. Für jedes Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage sich in diesem Fall steuermindernd ausgewirkt hat, ist eine Gewinnhinzurechnung von 6. v. H. der Rücklage vorzunehmen.